Das jüdische Ghetto

Im Bezirk Cannaregio gibt es eine Insel, die jahrhundertelang eine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen hatte: Dort musste der jüdische Teil der venezianischen Bevölkerung siedeln. Die Autoritäten in der Seerepublik erlaubten es lange nicht, dass die jüdischen und christlichen Bewohner der Stadt zusammenleben durften. Sie wollten damit Übergriffe und Unruhen vermeiden. Obwohl die Wohnverhältnisse im Ghetto – so der Name des Quartiers, der später weltweit übernommen wurde – beengt waren und die Juden sehr hart besteuert wurden, hatte diese Regelung nicht nur Nachteile für sie. Venedig gewährte ihnen im Gegenzug Schutz vor der Inquisition und bestrafte auch Venezianer, die in das Ghetto eindrangen und dort Ärger machten.

Die ersten Juden kamen bereits im 5. und 6. Jahrhundert nach Venedig. Meist waren es Deutsche – damals hieß ihr Heimatland allerdings noch Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation – die in Venedig mit ihren Waren Geld verdienen wollten. Als Händler waren sie in der Lagunenstadt durchaus gern gesehen, als Bürger allerdings nicht. Sie mussten deshalb außerhalb im "Fondaco dei Tedeschi" wohnen. Dieser Name zeugt noch heute von ihrer frühen Anwesenheit.

Im Laufe der Geschichte war die Akzeptanz der Juden in Venedig von einem permanenten Auf und Ab gekennzeichnet. In wirtschaftlich schlechten Zeiten wurden sie hofiert und man räumte ihnen neue Rechte ein – etwa das Recht, Baugrund in Venedig zu erwerben – weil man das Geld brauchte, das durch ihre Pfandleihen floss. Hatte sich die Krise erledigt, nahmen die Spannungen wieder zu, die Juden wurden schikaniert und diskriminiert. Eine Zeit lang beschäftigten sich Geistliche ernsthaft mit der Frage, ob das Seelenheil der Christen durch einen regelmäßigen Umgang mit Juden Schaden nehmen würde. Am 29. März 1516 machte Venedig Schluss mit dem Hin und Her. Erstmals in der Geschichte wurde einer jüdischen Bevölkerung ein fest umrissenes Gebiet zugewiesen, in dem sie sich niederlassen musste oder durfte – je nach Betrachtungsweise. Das Gebiet hieß damals "gheto novo" und wurde Namensgeber für alle Ghettos, die folgten. Erst Napoleon hob Ende des 18. Jahrhunderts diese Verfügung wieder auf, als seine Truppen Venedig eroberten. Die Juden blieben in dem Gebiet, nun aber freiwillig. Ab 1943 deportierten die deutschen Besatzer die letzten Juden, die noch im Ghetto lebten. Nur wenige von ihnen kamen zurück.

Heute leben wieder mehrere hundert Juden in Venedig, jedoch weniger im eigentlichen venezianischen Ghetto, das von vielen Touristen besucht wird. Hier kann man zwischen zwei Synagogen, einem Museum und vielen Läden, die Spezialitäten wie koschere Fleischgerichte und Matzen herstellen, jüdisches Alltagsleben kennenlernen. An die Opfer des Holocaust erinnert ein Relief des italienischen Bildhauers Arbid Blatas.

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